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Martin van Gelderen's Intellectual History Blog

die flämische renaissance, 1500-1650


Die Flämische Renaissance, 1500-1650:
Die Kultur von Erasmus, Bruegel, Lipsius, Rubens und Van Dyck (Wintersemester 2025/2026)


Seit dem 12. Jahrhundert erleben die südlichen Niederlande einen bemerkenswerten kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung. Die Städte in der Grafschaft Flandern und im Herzogtum Brabant sind die Hauptträger dieses Aufschwungs. Im Zentrum stehen zuerst die flämischen Städte Brügge und Gent, und dann, vor allem im 16. Jahrhundert, die Metropole Antwerpen, die einen rasant steigenden Bevölkerungszuwachs vorzeigt. Hat die Stadt um 1500 noch 40.000 Einwohner, leben um 1560 100.000 Menschen in der Hafenstadt. Die Stadtluft macht frei, und der Handel macht reich. Handelswege verbinden Antwerpen einerseits mit den norditalienischen Städten, andererseits gibt es den lebhaften Überseehandel – mit
England, mit dem Baltikum, mit Iberischen Hafenstädten.

Politisch handeln Brügge, Gent und Antwerpen weitgehend wie unabhängige Stadtrepubliken. Koordination und Zusammenarbeit wird gestaltet durch die parlamentarischen Versammlungen, die in Brabant zum Beispiel Adel und Geistlichkeit mit den vier Hauptstädten des Herzogtums, Antwerpen, Brüssel, Löwen und Hertogenbosch zusammenbringt. Seit 1426 ist Löwen Universitätsstadt, Brüssel entwickelt sich mehr und mehr zur Hof- und Residenzstadt. Denn auch die Landesherren gewinnen an Bedeutung in der koordinierenden und
rechtssprechenden Funktion als Graf und Herzog. Im Laufe der Jahrhunderte gelingt es der Dynastie der Herzogen von Burgund immer mehr Titel in den Niederlanden zu erwerben. 1477 heiratet die etwas verzweifelte Erbin, Maria von Burgund, zur Stärkung ihrer Position, Maximilian I., den Erzherzog von Österreich. Die Ehe bedeutet die Gründung der Burgundisch-Habsburgischen Dynastie. Enkelkind Karl, geboren 1500 in Gent, erbt 1515 nicht nur die Titel, die ihn zum Landesherrn derNiederlande machen, sondern auch zum König von Kastilien und Aragon. 1519 wird Karl zum Kaiser des Alten Reiches gewählt. Nach der Krönung in Bologna wird er Kaiser Karl V. Er ist dann (fast) Universalmonarch.

In der Vorlesung steht die frühneuzeitliche Kultur- und Ideengeschichte der Burgundischen Niederlande als europäisches Erbgut im Zentrum. Wir erörtern das Werk des großen Renaissance-Humanisten Erasmus und wir schauen auf die enorm populären Bilder des Malers, den man oft (wenn auch etwas zu unrecht) ‘Bauern Bruegel’ genannt hat. In den etwa 250 städtischen Rhetorikkammern treffen die Texte von Erasmus und die Bilder von Bruegel aufeinander. Wir lesen den Philosophen des europäischen Neustoizismus, Justus Lipsius, der miterleben muss, wie sich im Religionskrieg die Niederländischen Provinzen spalten. Im Norden entsteht ab 1581 die neue niederländische Republik, im Süden behaupten sich Katholizismus und Habsburger. Es wird die Welt der Barockkultur, mit Diplomat, Späthumanist und Künstler Pieter Paul Rubens und seinem Schüler Anthony van Dyck als Hauptvertreter. Sie sorgen dafür, dass Antwerpen eine europäische Kulturmetropole bleibt, machen aber auch Furore in Italien und, als Hofmaler, in Paris und London.